Das Silbertässchen am Atlantik…

Allgemein ist es schwierig, wenn man als Reisender interessante Städte besuchen, nicht aber gleichzeitig in Touristenmassen untergehen möchte. Hinzu kommt vielleicht noch das Ansinnen, Kultur, Genuss und Erholung oder sportliche Möglichkeiten  in ausreichendem Maße vorzufinden. Mein Tipp: Cádiz.

Cádiz liegt am westlichen Südzipfel des spanischen Festlandes und zeichnet sich wegen der direkten Atlantiklage durch ein ausgesprochen angenehmes Klima aus. Westwind vom Atlantik, der Poniente, macht selbst heiße Hochsommertage erträglich und sorgt speziell am Abend für eine unvergleichliche Stimmung an den langen Stränden der Stadt. In den seltenen Fällen, wo ein kräftiger heißer Ostwind von der Landseite weht, herrscht der Levante und sorgt für Hitze und trägt reichlich Sand mit sich. Meist legt sich eine solche Periode aber nach zwei bis drei Tagen.

Cádiz liegt auf einer langgezogenen Landzunge, die in den Golf von Cádiz ragt, deren südwestliche Seite über 9 km feinsten, weißen Sandstrand verfügt. Die Strände sind ein Magnet für Urlauber und Gaditanos gleichermaßen und unterscheiden sich je nach Lage namentlich. Der berühmteste Strandabschnitt, Playa la Caleta, liegt mit seinem historischen Badehaus, welches wohl das bekannteste Postkartenmotiv der Stadt ist, am Altstadtbereich und wird von vielen Studenten und Altstadtbewohnern besucht. Playa Santa Maria del Mar liegt am Übergang vom historischen zum neuerbauten Teil der Halbinsel, geht dann über in den von Touristen und Anwohnern genutzten Abschnitt Playa de la Victoria, an dem sich einige wenige Hotels befinden. Ausgesprochen idyllisch und erholsam wird es zur Stadtgrenze hin, wenn die Häuserbebauung endet und man nur noch Dünen und Meer sieht. Dann ist man am schönsten Strand angelangt: Playa de la Cortadura. Dieser,  Playa de la Victoria und Playa la Caleta werden regelmäßig international mit blauen Flaggen bewertet und gehören damit zu den besten Stränden. Am hinteren Ende des Cortadura-Strandes treffen sich Wind-und Kitesurfer bei optimalen Bedingungen.

Abseits vom Strandtrubel findet man an der Playa de la Cortadura auch eine Location für Insider: Chiringuito Nahu Beach. Hier in völliger Abgeschiedenheit kann man etwas abseits in fast völliger Dunkelheit Strand, Meer und den Sternenhimmel genießen oder in angenehmer Umgebung einen Cocktail und sein Dinner zu sich nehmen. Wenn man nicht über die Strände zum Nahu Beach gelangen möchte, muss man die Schnellstraße Carretera Cádiz – San Fernando einen halben Kilometer befahren und dann die Ausfahrt zum Parkplatz nehmen. Der erste Eingang zum Strand führt über einen langen Holzweg zum Ziel.

Die Chiringuitos, die hier aus einem einheitlichen Bausatzsystem bestehen und über Toiletten und Versorgungsanschlüsse verfügen, prägen in angenehmer Weise das Leben an den langen Stränden und stehen etwa in Abständen von 300 m über die gesamte Länge verteilt. Die jeweiligen Betreiber haben natürlich ihr Objekt etwas individualisiert und sprechen unterschiedliche Gäste an. Von Juni bis Ende September fungieren sie tagsüber als Versorgungsstationen, um die Strandgäste mit Speisen und Getränken zu versorgen und am Abend dienen sie noch verstärkter als Treffpunkt für das Abendpublikum, das sich bei der erfrischenden Brise vom Meer vergnügen möchte. Ein must have in warmen Sommernächten…

Selbst in der Sommersaison wird man relativ wenig ausländische Touristen am Abend antreffen, was der Tatsache geschuldet ist, dass Cádiz über keinen eigenen Flughafen verfügt und der nächste 35 km entfernt in Jerez liegt. Tagsüber verteilen sich die Passagiere der Kreuzfahrtschiffe, von denen jährlich 350 hier festmachen, teils über die Stadt, aber auch auf die Landausflüge nach Jerez und anderen Orten Andalusiens. Die Cruise Liner laufen morgens gegen 8:00 oder 9:00 Uhr im Hafen ein und stechen gegen 17:00 Uhr meist wieder in See. Nicht selten liegen im Sommer drei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig im Hafen und sorgen für ein enormes Aufkommen an Abgasen, denn die Maschinen laufen für den allgemeinen Schiffsbetrieb weiter. Viele Spanier aus Madrid oder dem nördlichen Teil des Landes verbringen gerne ihren Sommerurlaub  am Atlantik, weil es hier im Hochsommer erträglicher ist.

Die Altstadt liegt am Kopf der Landzunge und man kann sehr gut die damalige Situation der ´ummauerten Stadt´, denn das bedeutet aus dem Phönizischen übersetzt Cádiz, nachvollziehen. Noch immer stehen die zahlreichen Festungsanlagen um die gesamte Altstadt und am Übergang zur schmaleren Landzunge befindet sich die befestigte Stadtmauer mit dem Stadttor. Die starken Befestigungen hatten seinen Sinn, denn die Stadt entwickelte sich nach ihrer Gründung 1100 v. Chr. durch phönizische Kaufleute rasch zu einem florierenden Handelszentrum der Antike und blieb das über Jahrhunderte, denn nach der Entdeckung Amerikas war Cádiz der Heimathafen der spanischen Silberflotte, worauf der Beiname ´tacita de plata´ beruht, was übersetzt Silbertässchen bedeutet. Die Bezeichnung Tässchen bezog sich auf die Tassenform der Altstadt auf der Landkarte. Als älteste Stadt des Abendlandes befindet man sich als Besucher in Cádiz auf sehr geschichtsträchtigem Boden und die Stadt hat tatsächlich auch eine sehr kriegerische Vergangenheit hinter sich. Die strategische Lage und der  Reichtum forderten dies über die Jahrhunderte heraus, aber diese Stadt erlangte für die Spanier auch bis in die heutige Zeit eine nachhaltige Bekanntheit, denn hier wurde am 19.März 1812 ´La Pepa´, die erste spanische Verfassung proklamiert.

Am Plaza España erinnert auf einer großen Mittelinsel ein Denkmal an dieses denkwürdige Ereignis der spanischen Geschichte. Dieser Platz ist im Übrigen ein zentraler Ausgangspunkt für alle Unternehmungen in Cádiz, egal, wohin es gehen soll. Von hier fahren alle fünf Buslinien, die durch die Stadt führen und bedingt durch die geografische Form der Halbinsel ist es möglich, von nahezu jedem Ort innerhalb von zehn Minuten eine Bushaltestelle fußläufig zu erreichen. Die Busse sind im Hochsommer optimal klimatisiert, die Fahrpreise moderat  und man bezahlt beim ausgesprochen freundlichen Fahrer, der einen mit ´Hola!´ begrüßt. Es kommt  einfach nicht vor, dass einem ein Busfahrer vor der Nase davon fährt, wenn er jemanden nach dem Bus rennen sieht und speziell auf ältere Fahrgäste und Behinderte wird erhöhte Rücksicht genommen.

Vom zentralen Busbahnhof am Bahnhof führen Überlandlinien in kurzen Intervallen in sämtliche andalusischen Städte und stellen ein zuverlässiges Verkehrsmittel dar. Direkt nebenan gehen moderne  Züge in alle Teile des Landes ab und man gelangt auf einem neuen Schienennetz z.B. günstig nach Jerez oder Sevilla. Von oder nach Cádiz gelangt man über zwei Zufahrten: Ein Weg führt über die Landzunge von Cádiz nach San Fernando, der andere Weg über die Puente José León de Carranza in Richtung El Puerto de Santa Maria und Puerto Real. Dies ist auch die Strecke, auf der ein Shuttle-Bus tagsüber in regelmäßigen Abständen zwischen Jerez Airport und Stadtzentrum Cádiz verkehrt.

Eine neue Brücke, die als Entlastung dieser Verbindung dienen und eine neue Sehenswürdigkeit werden soll, führt über die Bucht und sollte zur 200 Jahr-Feier der spanischen Verfassung eingeweiht werden. Die Wirtschaftskrise hat dies jedoch verhindert und die Bauzeit verlängert sich nun mindestens bis 2014.

Ungeachtet dessen gibt es in Cádiz zahllose Sehenswürdigkeiten von Kirchen und Kathedralen, einer Vielzahl von Museen, die sich mit der ibero-amerikanischen Geschichte befassen, neuzeitlichen Museen, wie dem Sherry – und Stierkampf -, dem Flamenco – Museum, dem restaurierten historischen Mercado im Zentrum bis zum Gran Teatro Falla, erbaut zu Ehren des Komponisten Manuel de Falla. Vom Torre Tavira, einem Turm inmitten des Altstadtkerns, hat der Besucher einen einzigartigen Blick über die gesamte Altstadt, vermittelt durch ein altes Spiegelsystem, einer sogenannten Camera Obscura.

Mindestens genauso erlebenswert sind die Altstadtviertel mit ihren verwinkelten Gassen und den eingebetteten kleinen Plätzen und Parks: El Pópulo, La Viña und Santa Maria. Denn es gilt nicht zu vergessen, dass die gesamte Altstadt von Cádiz als kunstgeschichtliches Denkmal der Europäischen Union geschützt ist. Wo auch eine unglaubliche Anzahl von Gaststätten und Geschäften ihre Spezialitäten anbieten und sich Einheimische, Urlauber und Studenten aus vielen Ländern beim Altstadtbummel, beim Abendessen oder einem Drink aufgeschlossen  begegnen. Zur entspannten Atmosphäre trägt natürlich auch bei, dass weite Teile der Altstadt als absolute Fußgängerzone ausgewiesen sind und in einigen Teilen lediglich auf einspurigen Straßen den Anwohnern die Zufahrt gewährt ist. Dementsprechend beruhigt gestaltet sich das Leben in der Altstadt und es macht Freude diese per pedes zu erkunden.

Man kann die Stimmung der Gaditanos auch sehr direkt beim Carnaval de Cádiz im Februar jeden Jahres kennen lernen, wenn sich die Stadt in ein Meer von Kostümen verwandelt. Nach Rio de Janeiro und Trinidad ist Carnaval de Cádiz weltweit die drittgrößte Veranstaltung dieser Art und wenn man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann man hier sogar den Carnaval en verano, also eine Sommerausgabe erleben.

Eine andere Großveranstaltung findet jedes Jahr im August statt: Trofeo Ramón de Carranza, ein Fußball-Turnier des Veranstalters Cádiz C.F. im neuen Stadion, nach dessen Abschluss am Strand ein öffentliches Grillfest stattfindet, zu dem circa 350.000 Leute unterwegs sind. Für einen Tag dürfen Einheimische und Gäste am Strand von Cádiz gemeinsam grillen und feiern.

Anlässlich verschiedener katholischer Feiertage kann man immer wieder Prozessionen beobachten, die durch weite Teile der Altstadt führen, insbesondere wenn die Zeit der ´Semana Santa´ heran ist.

Cádiz ist eine Stadt, wo es Freude bereitet, sich in einem kleinen Hotel inmitten der Altstadt einzumieten, zu Fuß die Viertel zu durchstreifen und die Sprache, Klänge, Gerüche aufzunehmen. Sich vor eine Tapas-Bar zu setzen, die Spezialitäten des Hauses bei einem Sherry oder Vino zu verkosten und aus dem Lokal in der Nachbarstraße das Knallen der Flamencoschuhe auf dem Holzboden zu hören…

Aufenthalt am 01.04. – 27.09.2010

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